Get happy

Get happy

Bewusster leben. Zufriedener sein.

Transkript

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00:00:03: Und

00:00:25: ich sage, hallo ihr Lieben, schön, dass ihr auch an diesem Freitag wieder mit dabei seid.

00:00:30: Wie immer hoffe ich, dass es euch gut geht und dass ihr euch in diesem Moment an einem wohligen und sicheren Ort befindet.

00:00:36: Ich möchte ein großes Dankeschön sagen für alle neuen Abos auf YouTube und natürlich herzlich willkommen an alle neuen Abonnentinnen und Abonnenten.

00:00:46: und ich möchte mich wirklich aufrichtig und von Herzen bedanken für euren Support, der mich in den letzten Wochen erreicht hat.

00:00:53: Ihr helft mir damit ungemein, so dass ich diesen Podcast weiter machen kann.

00:00:57: Und diese wichtigen Themen weiter in die Welt tragen können, wenn ihr mich mit einem kleinen Betrag unterstützen möchtet.

00:01:03: Ihr findet die Links in den Shownotes.

00:01:06: Wir sprechen in dieser Folge über die Diagnose bipolare Störung.

00:01:11: Eine schwere, extrem komplexe psychische Erkrankung, die für die Betroffenen und das Umfeld häufig großes Leid und enorme Herausforderungen bedeutet.

00:01:23: In Deutschland leiden im Januar, im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr.

00:01:40: im Früher sprach man im Volksmund von Himmel hoch jauchzend zu Tode betrübt.

00:01:46: Aber das ist doch eine sehr spielerische Umschreibung, die häufig mit der harten Realität der Krankheit wenig zu tun hat.

00:01:53: Schwere depressive Episoden wechseln sich ab mit manischen Phasen, in denen sich die Betroffenen häufig in sehr selbstschädigende, in gefährliche und sogar lebensbedrohliche Situationen bringen können.

00:02:06: In der Regel dauert eine depressive Phase bis zu sieben Monate eine manische bis zu sechs Wochen.

00:02:13: Vom sogenannten Rapid-Cycling spricht man, wenn sich jeweils vier Phasen innerhalb eines Jahres ereignen.

00:02:21: Vier Phasen innerhalb eines Monats nennt man Ultra-Rapid-Cycling.

00:02:27: Eine bipolarische Störung kann in der Regel nicht allein durch Psychotherapie behandelt werden, sondern muss mit einer ganzen Palette am Psychopharmaker begleitet werden, die dann wiederum eine Menge Nebenwirkungen mit sich bringen.

00:02:41: Mein Gast in dieser Woche ist Vera König.

00:02:44: Bei Vera ging es los im zarten Alter von gerade mal vierzehn Jahren.

00:02:49: Da litt sie an ihrer ersten Erschöpfungsdepression.

00:02:52: Sieben Monate lang schaffte sie es damals kaum aus dem Bett.

00:02:56: Es folgte die erste manische Phase und danach stand die Diagnose fest.

00:03:02: Anstatt sich ihrem Schicksal zu ergeben, begibt sich Vera auf eine lange, beschwerliche Reise, die es ihr ermöglicht hat, dass sie heute nicht nur verheiratet und Mutter ist, sondern als Genesungsbegleiterin andere Menschen mit psychischen Erkrankungen unterstützt.

00:03:20: Ihre Geschichte hat sie in einem Buch aufgeschrieben.

00:03:24: Die unsichtbare Last heißt es und damit macht sie vielen, vielen Menschen Mut, Hoffnung, Und sie spendet eine Menge Zuversicht und zwar nicht nur bipolaren Menschen.

00:03:34: Herzlich willkommen, liebe Vera König.

00:03:37: Hallo, Kathi.

00:03:38: Vielen Dank für diese wunderbare Anmoderation.

00:03:40: Es tut mir sehr gut, das zu hören.

00:03:43: Wie fühlt sich das an für dich, wenn du dein Leben nochmal so zusammengefasst hörst und siehst?

00:03:51: Im ersten Moment bin ich überrascht und denke, wow, was ist das denn alles schon gewesen?

00:03:58: Aber im zweiten Moment, ja, genau so war es.

00:04:00: Und das ist meine Geschichte.

00:04:02: Und ja, ich kann heute sagen, ich bin stolz darauf, was ich alles geschafft habe, wie weit ich gekommen bin trotz Erkrankung oder gerade Miterkrankung.

00:04:11: Und ja, es ist ein gutes Gefühl, heute hier sein zu dürfen.

00:04:16: Hm,

00:04:16: wie meinst du das?

00:04:17: Vielleicht mit Erkrankung oder wegen der Erkrankung?

00:04:20: Ähm, als ich Jugendlich war und die Diagnose gestellt wurde und ich mit der blanken Wahrheit konfrontiert wurde, war es immer so, dass ich gedacht habe, ich müsse mich schämen, ich müsse das zurückhalten, ich müsse es verstecken, die Erkrankung.

00:04:37: Und heute ist es so, dass ich das Gefühl habe, wenn ich offen damit umgehe, wenn ich ehrlich meinen Menschen, die ... mir wichtig sind gegenüber offen und bin, dann kommt viel zurück und ich hab das Gefühl, mich nicht mehr verstecken zu müssen.

00:04:57: Also es ist einfach das erste Mal in meinem Leben, dass die Erkrankung einen Sinn macht und keinen Hindernis darstellt, sondern auch eine Grundvoraussetzung beispielsweise für meinen Beruf der Genesungsbegleitung darstellt.

00:05:13: So dass es einen ... Ein schöner Wandel von Verstecken und Schämen zu öffentlich darüber sprechen und sich auch ins Rampenlicht stellen.

00:05:23: Wir haben uns kennengelernt auf einer Veranstaltung.

00:05:25: Da warst du als Speakerin auf der Bühne.

00:05:27: Und ich saß im Publikum und durfte dir lauschen.

00:05:30: Und deine Geschichte und du, deine ganze Energie, dein Vibe haben mich sofort berührt.

00:05:35: Und ich bin danach zu dir gekommen und gesagt, du kommst in meinem Podcast, wenn du Lust hast.

00:05:39: Das würde mich total freuen.

00:05:41: War das da das erste Mal, dass du so öffentlich aufgetreten bist?

00:05:44: Das Buch war da schon geschrieben?

00:05:47: Zu diesem Zeitpunkt?

00:05:48: Tatsächlich nicht.

00:05:49: Es war das Ende einer Veranstaltungsreihe.

00:05:53: Und zwar habe ich das Buch letztes Jahr im Juni veröffentlicht.

00:05:57: Das heißt, die unsichtbare Last, Wege zu einem erfüllten Leben mit psychischer Erkrankung.

00:06:03: Und danach durfte ich durch Deutschland reisen.

00:06:06: Ich habe verschiedene Lesungen gehalten.

00:06:08: Ich durfte an Recovery-Kongressen teilnehmen, mit Fachpersonal sprechen, mich austauschen.

00:06:17: Es war wirklich eine ganz Tolle Reise und unsere Veranstaltung war dann die Letzte des Jahres.

00:06:23: Und sozusagen auch noch mal das Highlight der Abschluss.

00:06:26: Und ja, jetzt bin ich ganz froh, dass ich auch dieses Jahr weitermachen darf mit den Lesungen.

00:06:35: Und ja, bin auf meinem Weg.

00:06:39: Ich würde natürlich so gerne mit dir noch mal ein bisschen durch die Zeit reisen, wenn das für dich okay ist.

00:06:44: Und noch mal in die Zeit gehen, wo die vierzehnjährige wäre, plötzlich so total aus dem Leben genockt wurde und überhaupt nicht mehr das Bett verlassen konnte, als die erste schwere depressive Episode sich angekündigt hat.

00:06:58: Wenn du dich heute an diese Zeit zurückerinnerst, welche Erinnerungen kommen da sofort in dein ... in dein Kopf?

00:07:06: Also, das ist wirklich eine Zeit, über die es mir auch sehr schwer fällt zu sprechen, weil ich damals natürlich noch überhaupt nicht mit meiner Erkrankung mich auskannte.

00:07:17: Es war für mich ganz schwer, morgen überhaupt aufzustehen, weil ich gemerkt habe, ich habe keine Energie, keine Kraft.

00:07:25: Ich bin mutlos.

00:07:27: Ich möchte nicht mehr leben.

00:07:28: Das war mein Eindruck.

00:07:30: Und ich habe vor allem Angst gehabt.

00:07:32: Ich hatte starke Panikattacken in dieser Erschöpfungsdepression drin.

00:07:37: Und ein Beispiel, an dem man es vielleicht sehr gut anschaulich machen kann, ist, mein Papa hat Kaffee mit einer Filter-Kaffemaschine gekocht und wenn der Kaffee durchgelaufen ist, nimmt man ja den dampfenden Kaffeefilter und packt ihn in den Müll.

00:07:52: Und für mich war es dann so krass, Und zwar dampfte der Kaffeefilter, ja.

00:07:58: Und ich dachte, oh Gott, jetzt fängt es gleich an zu brennen.

00:08:01: Es dampft und raucht ja schon, Hilfe, Hilfe.

00:08:03: Oh Gott, und habe mich richtig reingesteigert.

00:08:06: Und dann folgte eine Panikattacke mit Kloß im Hals, Beklemmung in der Brust, teilweise an dem Tag sogar mit übergeben, weil ich diesen Anspannung nicht in mir halten konnte.

00:08:19: Und an einem so kleinen Beispiel wie diesem Kaffeefilter kann man sehen, wie verschoben die Welt ist, wie nicht realistisch die Gedanken und die Wahrnehmung, die ich habe, sind.

00:08:33: Und für mich ist es halt sehr, ja, wie kann ich das ausdrücken?

00:08:43: Sehr einschneidend gewesen, dass ich so verkehrt von mir, fair rückt, also mit Bindestrich in der Mitte.

00:08:56: mich gefühlt habe und dadurch bin ich auch sehr aus der Bahn geraten und immer mehr in diesen Sog der Depression reingeraten.

00:09:04: Ich finde es wunderbar, dass du das Wort verrückt genauso, ich benutze es nämlich auch sehr oft und sage dann dazu im wahrsten Sinne des Wortes, weil wir haben die wahre Bedeutung von verrückt überhaupt nicht mehr auf dem Schirm, nämlich wie du sagst, also irgendwie verschoben.

00:09:23: Es ist ja wirklich verrückt und nicht wahnsinnig, sondern oder durchgeknallt, sondern irgendwas ist verrückt gerade.

00:09:31: Und darüber schreibst du ja auch in deinem Buch, wenn es um so irrationale Ängste geht, die natürlich dann so einen riesen, riesen Raum einnehmen und mit denen du aber im Laufe der Jahre natürlich gelernt hast, zu leben und auch damit zu sein.

00:09:45: Als die erste manische Phase kam, darüber hast du in deinem Vortag auch ein bisschen gesprochen.

00:09:51: Magst du uns bis ... Ich will dich hier nicht auch so stretchen und irgendwie konfrontieren mit dieser Zeit.

00:09:55: Du sagst einfach auch, nee, lieber nicht.

00:09:58: Also, achte bitte gut auf dich.

00:10:00: Aber wenn du magst, dann erzähl uns doch ein bisschen, wie sich diese erste manische Phase zeigte.

00:10:05: Ja, klar, gerne.

00:10:06: Also, das ist sogar was viel handfester ist, was man viel besser beschreiben kann als die Sog der Depression.

00:10:14: Für mich war es so, wie du ja vorhin im Intro schon erwähnt hast, dass ich sieben Monate lang schwerst depressiv war und in dieser Zeit auch Serotoninauffälle, also starke Medikamente bekommen habe, Psychopharmaka.

00:10:27: Und diese Medikamente haben dazu geführt, dass meine Stoffwechselerkrankung, also die bipolarische Spörung, richtig angesprungen ist.

00:10:39: Es ist passiert, dass von den depressiven Wellen, die da waren, auf einmal ein richtiger Schuss nach oben abgegangen.

00:10:49: Und ich habe wahnsinnige Freude gespürt, unbändige Lebenslust.

00:10:54: Mir ging es auf einmal richtig gut.

00:10:56: Und nach Monaten der schweren Depression war das einfach ein Segen für mich persönlich.

00:11:02: Ich habe mich einfach so gut gefühlt und gedacht, Mensch, das ist es jetzt.

00:11:06: Das Problem war, dass ich mich völlig überschätzt habe und gar nicht mehr ich selbst war, überhaupt nicht mehr in meinem Selbstbewusstsein und in meinem ... Wie sage ich?

00:11:24: Nicht mehr gut mit dir verbunden?

00:11:26: Ja, genau.

00:11:26: Das trifft es ganz gut.

00:11:29: Und für Außenstehende war das sehr gut ersichtlich.

00:11:31: Also, ich bin zum Beispiel über befahrene Straßen gerannt.

00:11:35: Ich habe gedacht, so menschenimpossibel mäßig, die Straßenbahnen bremsen schon für mich, die Autos bestimmt auch.

00:11:43: Ich bin mächtig und mir kann niemand was.

00:11:46: Ich bin unverletzbar.

00:11:48: Und ich kann mich auch zum Beispiel daran erinnern, dass ich in einem mir bekannten Gebäude in den Fahrstuhl gegangen bin, in den vierten Stock hochgefahren bin und an der Regenwinne, an der Außenfassade wieder runtergeklettert bin.

00:12:03: Durch ein Zimmer durch, das da war und dann weiter an einem Baum herauf, an einer Garage und habe mich sozusagen auch sehr stark.

00:12:14: selbst gefährdet.

00:12:15: Dabei hätte ja auch anderen Menschen was passieren können, gerade wenn das mit dem Verkehr auch gewesen ist.

00:12:22: Aber mit dieser Kletterei war ich kurz davor, dass ich eventuell ja runtergefallen wäre.

00:12:28: Und das war so eine Phase.

00:12:30: Ich meine, ich war gerade vierzehn, dass meine Eltern gesagt haben, ist ja gar nicht tragbar.

00:12:36: Sie muss auf jeden Fall in eine Klinik.

00:12:39: Und damals bin ich dann auch tatsächlich in ... Ich hab noch bei Heidelberg gewohnt und bin dann in Mannheim in die Kinder- und Jugendpsychiatrie gekommen.

00:12:49: Und das war so die schwerste Zeit meines Lebens.

00:12:52: Kann ich nicht anders beschreiben.

00:12:54: Denn dort wurde ich so überschwänglich und über ... mäßig freudig, wie ich war, eingesperrt auf eine geschlossene Station.

00:13:03: und auf dieser geschlossenen Station musste ich im Endeffekt dreizehn Wochen lang bleiben.

00:13:09: Und für mich war das Schlimmste, dass ich nicht raus durfte.

00:13:13: Es gab einmal am Tag eine Ausgangsstunde und in dieser Ausgangsstunde durfte man in einen abgesperrten, überzeugten, also komplett mit Seiten und Decke, überzeugten Bereich.

00:13:28: Und dieser stellte dann den Ausgang dar.

00:13:31: Und das war Horror.

00:13:34: Vor allen Dingen die ganzen Nebenwirkungen, die ich bekommen habe durch die Psychopharmaka, die man dann dort verschrieben hat.

00:13:40: Die sollten ja dämpfen und sedieren und mich wieder auf die Normalspur bringen.

00:13:46: Aber die Frage ist ja, was ist denn normal?

00:13:49: Gute Frage.

00:13:51: Und ja, ich habe damals über dreißig Kilo zugenommen, war sehr sportlich gewesen, bevor ich in die Klinik gekommen bin.

00:13:59: Ich habe

00:13:59: ganz, ganz starke Acne gekriegt, also so, dass man das wirklich sah und dachte, wow, was ist denn da passiert?

00:14:06: Und ja, war auf einmal träge, müde, gar nicht mehr ich selbst.

00:14:11: Und das war eine ganz schwierige Situation für mich, für meine Familie, für meine Lieben.

00:14:17: Und ja, da musste ich langsam wieder ins Leben zurückfinden.

00:14:21: Und das war einer der größten, schwierigsten Schritte, die ich machen musste, weil es ja alles für mich neu war.

00:14:27: Ich hatte ja bis dato keinerlei Berührung mit psychischen Erkrankungen, weder aus dem familiären noch aus dem freundschaftlichen Umfeld.

00:14:35: Und das war das große Problem.

00:14:39: Also wurde es eigentlich eher schlechter, obwohl es besser werden sollte?

00:14:43: Ganz genau.

00:14:44: Also vor allen Dingen, das Schwierigste war der Umgang damit.

00:14:48: Denn meine Mama hat sich unglaublich für mich geschämt.

00:14:51: Sie hat gedacht, ja, jetzt ist meine Tochter psychisch krank.

00:14:56: Oh Gott, was sollen denn die Nachbarn sagen?

00:14:58: Ich glaube, das müssen wir verstecken.

00:15:01: In dieser Zeit konnte ich natürlich auch nicht in die Schule gehen und habe über ein halbes Jahr gefehlt.

00:15:05: Und das hat dazu geführt, dass ich mich natürlich sehr geschämt habe, weil meine Mama sich für mich geschämt hat.

00:15:13: Und gleichzeitig gab es meinen Papa, der sagte, es ist eine Erkrankung wie jeder andere.

00:15:19: Wir gehen offen damit um und hat mir den Rücken gestärkt und war für mich da.

00:15:25: Hätte ich durch diese harte Zeit getragen.

00:15:28: Ganz genau.

00:15:29: Jetzt sitzt du hier als junge Frau und kannst so total reflektiert und ruhig über diese Zeit sprechen.

00:15:36: Was sorgte dafür, dass es besser wurde?

00:15:38: Wann wurde es besser?

00:15:41: Ja, tatsächlich erst viele, viele Jahre später.

00:15:44: Und zwar mit einundzwanzig.

00:15:48: Ich bin mit einundzwanzig, kann man sagen, zu Hause ausgebrochen.

00:15:53: Ich habe nämlich meinen Mann kennengelernt, mit dem ich heute fünfzehn Jahre zusammen bin.

00:15:58: Und habe dadurch den Ort gewechselt.

00:16:01: Ich bin fünfhundert Kilometer von zu Hause weggezogen in das schöne Braunschweig im Norden Deutschlands.

00:16:08: und habe da mit meinem Mann gemeinsam ein komplettes Hilfenetzwerk aufgebaut.

00:16:14: Das heißt, wir haben uns verschiedene Hilfen von außerhalb geholt.

00:16:19: Ich betone dieses außerhalb so sehr, weil das die Familie und Freunde gar nicht leisten können, was professionelle Hilfe von außen ausmacht.

00:16:29: Ich habe einen superguten Psychologen gefunden, der mit mir Verhaltenstherapie gemacht hat.

00:16:35: Über zehn Jahre tatsächlich.

00:16:37: Wir haben es immer wieder verlängert bekommen.

00:16:39: Schönerweise haben auch mal kleinere Pausen eingelegt, wenn die Stunden mal ein bisschen weniger waren.

00:16:45: Und dort habe ich gelernt, meine bipolarische Störung und mein Verhalten so anzupassen, dass es für mein Leben mit meinen Einschränkungen geeignet ist.

00:16:57: Zusätzlich sind wir auch weitere große Schritte gegangen.

00:17:01: Wir haben eine ambulante Betreuung eingerichtet, die mich zweimal die Woche besucht hat.

00:17:08: Wir haben allerdings auch eine rechtliche Betreuung eingeschaltet, denn wenn man manisch ist, überschätzt man sich gerne und geht auch sehr gerne shoppen und überschätzt sich auch mit den Finanzen ganz gerne

00:17:22: mal.

00:17:24: Und dementsprechend haben wir wirklich Ja, die Keule vor mich gesetzt, eine rechtliche Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt und Gesundheitsfürsorge.

00:17:33: Das Ganze bedeutet, dass, wenn ich zum Beispiel in einem Kaufrausch Geld ausgegeben habe, dass ich gar nicht habe, Dann könnte diese rechtliche Betreuung diesen Kauf rückgängig machen.

00:17:47: Und Gesundheitsversorge in dem Zusammenhang bedeutet, dass sie entscheiden konnte, okay, jetzt ist Zeit für Klinik oder auch nicht.

00:17:57: Und diese, ja, Fremdbestimmtheit über sich ergehen lassen zu müssen.

00:18:03: Das war schon ein hartes Brett.

00:18:06: Aber als auch da wieder ein Krankenhaus auf dem Wald folgte, beantragte diese rechtliche Betreuung einen schwerbehinderten Ausweis.

00:18:15: Und der ist tatsächlich damals auch unbefristet für mit siebzig Prozent durchgegangen.

00:18:20: Ich dachte im ersten Moment, mein Gott, also bist du wirklich so krank, dass du siebzig Prozent schwer Behinderung bekommst?

00:18:27: Meine, meine Güte.

00:18:29: Und der zweite Teil war, ich war ja bis dato auch sehr lange krankgeschrieben.

00:18:34: Und wir haben dann Erwerbsminderungsrente beantragt und die ist dann auch befristet durchgegangen, sodass ich erst mal nicht mehr arbeiten gehen musste und aber trotzdem nicht dauernd Krankmeldungen einholen musste und ein gesichertes Einkommen haben konnte, sodass ich mich dann langsam stabilisierte habe.

00:18:55: Und um zu deiner Anfangsfrage zurückzukommen, was hat denn geholfen oder was hatte denn diesen großen Unterschied gemacht, war einfach, dass ich weit weg war, dass ich dieses Hilfenetzwerk hatte, dass ich mich da auch vollkommen drauf eingelassen habe und dass mein Mann mir den Rücken gestärkt hat und immer für mich da war und auch noch ist.

00:19:19: Dass mich kurz ergänzend sagen, dieses Verhalten in manischen Phasen zum Beispiel plötzlich übermäßig Geld auszugeben oder Ja, es würde einem wirklich im wahrsten Sinne des Wortes die Welt zu Füßen liegen.

00:19:31: Das könnte man über alles bestimmen.

00:19:33: Das ist tatsächlich ein ganz typisches Symptom bei manischen Phasen.

00:19:37: Deswegen ist da eine Betreuung, was finanzielle Überschuldung angeht, dann in der Regel total ratsam.

00:19:44: Und gleichzeitig möchte ich mal hervorheben, dass es ja auch nicht selbstverständlich ist, dass du da so komplett in die Eigen ... Das ist ja sehr eigenverantwortlich, auch zu sagen, ich erkenne jetzt diese Diagnose an.

00:19:57: und gebe das in die Hände von anderen Menschen auch, um mich vor mir selber zu schützen.

00:20:02: Das ist ja ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit.

00:20:06: War die radikale Akzeptanz der Diagnose dafür das Fundament?

00:20:14: Auf jeden Fall.

00:20:15: Das kann ich ganz klar bejahen.

00:20:19: Ohne Akzeptanz der Erkrankung geht gar nichts.

00:20:22: Also wer verleugnet, wer sich versteckt und schämt, Ich glaube, der hat gar nicht die Möglichkeit, sich mit der Erkrankung zu leben und sich zu öffnen und dem Leben wieder frei zu entfalten.

00:20:35: Denn ich denke, es ist ... Salopp gesprochen, sagt man ja häufig, wie ein Beinbruch, den sieht man.

00:20:44: Aber auch eine psychische Erkrankung, die siehst du nicht.

00:20:46: und trotzdem ist es ganz wichtig zu sagen, hey, ich habe das, aber ich bin genauso wertvoll und genauso wichtig und ich habe meine Berechtigung hier zu sein, weil das sind alles Dinge, die man damals dann in Frage gestellt hat und erst mit der radikalen Akzeptanz.

00:21:03: ist es dann so viel besser geworden.

00:21:04: Und auch dann fängt man erst an, die Schritte zu gehen, die man benötigt, damit man stabil ist.

00:21:10: Mhm.

00:21:11: Es gibt so aus der Traumeheilung die Theorie, wir können nicht in dem Umfeld heilen, dass uns krank gemacht hat.

00:21:20: Dann nix du.

00:21:23: Was hat sich verändert für dich in dem Moment, als du gesagt hast, ich geh von meiner Familie weg und ich zieh mal fünfhundert Kilometer in eine andere Richtung?

00:21:33: So traurig es klingt und so traurig es auch ist, aber das war ein toxisches Umfeld, in dem ich groß geworden bin.

00:21:40: Nicht durch meinen Vater, der war, wie gesagt, für mich da.

00:21:43: Aber er arbeitete sehr viel und so war ich mit meiner Mutter ziemlich viel alleine.

00:21:49: Und diese Krasse, ich nenne es mal Überbehütung und auch dieses Fokussieren auf die Erkrankung und auf das Krank sein.

00:22:01: hat er dazu geführt, dass die Krankheit eigentlich schlimmer wurde anstatt besser.

00:22:05: Und erst mit dem großen Abstand von fünfhundert Kilometer hatte ich so das Gefühl, jetzt darf ich wachsen, jetzt darf ich auch erwachsen werden.

00:22:15: Also ich konnte mich loslösen aus dem Elternhaus, ich konnte freischwimmen und ich konnte einfach mal machen, was ich dachte, was für mich gut ist.

00:22:23: Also auf meinen Bauchgefühl hören.

00:22:25: Denn das ist ja auch so ganz häufig der Fall, dass du wirst mit Medikamenten sediert und als klein und nichtig dargestellt und hast überhaupt keinen Vertrauen mehr zu dir selbst.

00:22:39: Erst als ich angefangen habe, wieder auf mich zu vertrauen, zu akzeptieren, nach vorne zu schauen, habe ich Mut gesammelt.

00:22:46: Und mit diesem Mut stehe ich heute hier.

00:22:50: Ich kann das zu hundert Prozent nachempfinden, weil ich das wusste ich natürlich damals nicht.

00:22:54: Das weiß ich alles heute, wenn ich zurückblicke, warum ich welche Schritte gegangen bin.

00:23:00: Ich hatte vier Wochen Abitur und habe drei Jobs gesucht und bin sofort zu Hause ausgezogen.

00:23:06: Als ich sieben Monate später die Gelegenheit ergab, in den Süden Deutschlands zu ziehen, also siebenhundert Kilometer weit weg von meinen Eltern, in dem Fall war ... Bei mir waren beide nicht ganz ohne, aber sicherlich auch die Mutter der Hauptschwerpunkt.

00:23:22: Hat mein Unterbewusstsein da auch einfach eine gute Entscheidung getroffen, Raum zu kreieren zwischen mir und meiner Familie und eben diesem, auch wie du sagst, ja total toxischem Umfeld.

00:23:32: Aber wie gesagt, das wusste ich damals nicht.

00:23:35: Heute weiß ich, dass das da ist.

00:23:36: Das ist natürlich darum ging.

00:23:38: Wann hast du denn angefangen zu realisieren, welche Bedeutung auch das Umfeld hatte, indem du aufgewachsen bist?

00:23:45: Muss sagen, das habe ich gar nicht realisiert.

00:23:48: Ich war so in dem Sog drin von Krankheit und Schämen, dass ich das gar nicht gemerkt habe, wie schlecht mir das tut und wie eingrenzend und wie übergreifend oder übergriffig das auch war.

00:24:03: Und erst, als ich Hypoman wurde, das ist eine abgeschwächte Form der Mani, die meistens auf eine Depression folgt, wenn die Medikamente noch ein bisschen zu hoch dosiert sind.

00:24:16: Und in dieser Hypomanphase ist man sehr selbstbewusst, hat viel Energie, ist motiviert, kann aber noch klar denken und handeln.

00:24:26: Und in dieser Phase bin ich umgezogen.

00:24:29: So hat mein Mann mich kennengelernt, der ja nicht wusste, dass ich krank bin.

00:24:33: Und in dieser Phase hat mein Ganzes sein geschrien, ich möchte frei sein.

00:24:39: Ich möchte mich nicht mehr eingrenzen lassen.

00:24:42: Und ich glaube, es war genau das Richtige.

00:24:44: Weil wenn ich rational entschieden hätte, ob ich so viele Kilometer umziehe, ob ich meinen Job kündige, meine Freunde verlasse, meine Familie auch zurücklasse, Dann hätte ich das wahrscheinlich gar nicht getan.

00:24:57: Und dementsprechend, ich hab's nicht realisiert, ich hab's einfach getan in einem Krankheitsschub.

00:25:03: Und klar, heute würde ich sagen, oh mein Gott, was hab ich denn da gemacht?

00:25:07: Verrückt.

00:25:07: Zum Glück?

00:25:08: Ja, aber mutig.

00:25:10: Genau, mutig.

00:25:11: Und

00:25:12: ja, für mich war's die richtige Entscheidung.

00:25:15: Und ich bin glücklich.

00:25:18: Und da bist du Mama geworden.

00:25:19: Wie alt ist dein Sohn heute?

00:25:21: Heute ist er acht Jahre, geht in die dritte Klasse der Grundschule.

00:25:25: Und ja, das war natürlich nochmal ein riesen, einschneidender Schritt, Mutter zu werden.

00:25:34: Überhaupt kann ich mit psychischer Erkrankung Mutter werden.

00:25:39: Diese riesige Frage habe ich mir gestellt, weil es gibt ja auch bei gesunden Menschen ganz viele verschiedene Dinge, warum es schwer ist, Eltern zu sein.

00:25:49: Und ich habe gedacht, was mache ich denn?

00:25:54: wenn ich beispielsweise schlechten Schlaf habe, dadurch, dass das Kind nachts wach wird und durch diesen schlechten Schlaf dann wieder eine Phase hervorgerufen wird, die ich vielleicht nicht gleich mit Medikamenten dämpfen kann, weil wo ist denn der Unterschied zwischen müde sein vom Mutter da sein oder müde sein von der Erkrankung?

00:26:14: Das ist ja ganz, ganz schwer zu differenzieren.

00:26:17: Und ich habe mir über ein Jahr lang Gedanken gemacht, ob ich der großen Herausforderung gewachsen bin.

00:26:24: Und tatsächlich haben mein Mann und ich uns dann dafür entschieden.

00:26:27: Und es hat schönerweise auch alles super geklappt mit Schwangerschaft und auch Geburt.

00:26:33: Weil es ist ja auch nicht selbstverständlich, dass wenn man Medikamente in der Schwangerschaft nimmt, die natürlich abgestimmt sind mit dem Arzt, also viele Tests, vieles ausprobieren, vieles nachlesen.

00:26:46: Aber trotzdem ist es ja nicht gegeben, dass alles gut klappt.

00:26:49: Und da waren wir natürlich einfach unglaublich gesegnet.

00:26:54: Und ich bin ja sehr froh, diesen Schritt gegangen zu sein, Mutter zu sein.

00:26:59: Aber ich muss auch sagen, es ist wirklich eine große Herausforderung.

00:27:03: Und wir haben uns auch bewusst gegen ein zweites Kind entschieden, weil ich gemerkt habe, ich bin berendet, ich bin schwer behindert, ich bin psychisch krank und ich darf Mama sein.

00:27:13: Und wie schön ist das?

00:27:14: Und ich muss es nicht übertreiben, indem ich ein zweites oder drittes Kind eventuell dem dann nicht mehr gerecht werden kann.

00:27:22: Und so bin ich tatsächlich jetzt Mama und wir haben auch eine Hündin seit über fünfzehn Jahren.

00:27:27: Und diese Kombination aus Hund und Kind fordert mich und fördert aber auch meine Stabilität, mein Gesundsein und gibt mir viel Kraft.

00:27:41: Das Nervensystem spielt auch bei deiner Diagnose eine große Rolle.

00:27:44: Da würde ich gerne tiefer noch mal mit dir einsteigen.

00:27:47: Du hast aber gerade schon als Brücke den Schlaf erwähnt.

00:27:52: große Angst vor der Schwangerschaft in dir war, was ist, wenn ich dann keinen regelmäßigen Schlaf mehr habe?

00:27:59: Und über den Schlaf schreibst du auch in deinem Buch.

00:28:02: In meinem hat er mittlerweile auch den Status einer Lebensreligion, möchte ich mal sagen.

00:28:09: Was ist so wichtig für dich am Schlaf?

00:28:13: Ich kann immer sehr gut am Schlaf erkennen, wie es mir geht.

00:28:17: Denn der Schlaf ist mein erstes Indiz für einen Krankheitsschub.

00:28:23: Also in dem Moment, wo ich merke, okay, Mist, jetzt schlafe ich schon den dritten, vierten Tag nur noch drei, vier Stunden.

00:28:30: Okay, Achtung, ich glaube, es geht Richtung Hypomanie.

00:28:34: Und da muss ich richtig doll aufpassen, weil dann muss ich mit meinem Facharzt sprechen und die Medikamente erhöhen oder reduzieren, je nachdem, was ich halt vorher genommen habe.

00:28:44: Also, wenn es ein Serotonin-Auffälle war, dann muss man reduzieren und zwar schlagartig, weil sonst pusht das noch mehr.

00:28:51: Und wenn ich hingegen nicht mehr aus dem Bett komme, also zwölf, vierzehn, sechzehn Stunden schlafe und gar nicht mehr hoch komme und das seit mehreren Tagen, Dann ist das wieder ein Indiz dafür, dass ich merke, es geht Richtung depressive Verstimmung.

00:29:07: Auch da muss ich aktiv bleiben und gucken, dass ich mich motiviere aufzustehen, weil wenn einmal der Kreislauf eingerissen ist, dass ich ewig lang schlafe und gar nicht in den Tag komme und abends dann gerne länger wachbleibe, weil dann ein Abend hoch entsteht, dann verschiebt sich der ganze Tagesrhythmus wieder.

00:29:27: Und das führt einfach dazu, dass die Krankheit wieder Angrifffläche hat.

00:29:32: Dementsprechend ist der Schlaf für mich einfach sehr essentiell als Barometer für Krankheit, Manie oder Depression oder Vorstufen davon.

00:29:44: Ich frage mich, ob wir nicht alle diesen Gradmesser in unserem Leben etablieren sollten, dass es ein sehr deutliches Warnsignal des Körpers ist, wenn wir so ein unstillbares Schlafbedürfnis haben.

00:29:57: Also, wo haben wir uns vorher übernommen, dass der Körper uns für vierzehn oder sechzehn Stunden komplett außen nockt?

00:30:04: Was holt sich der Körper da?

00:30:05: Wie siehst du das?

00:30:07: Ich glaube, das kann ich nicht richtig einschätzen, weil ich ja täglich Medikamente nehme seit über zwanzig Jahren.

00:30:15: Und diese Medikamente dazu führen, dass ich sowieso viel schlaf benötige, weil die mich einfach niederdrücken, damit ich auch gut schlafe.

00:30:24: Und ... Ich denke, jeder hat, wie du das eben so schön auch gesagt hast, eine Empfindung für seinen Schlaf.

00:30:33: Aber viele hören einfach nicht drauf.

00:30:35: Und ich glaube, da ist es ganz wichtig, auf sich zu hören, auch wieder das Bauchgefühl und zu gucken, was möchte der Körper?

00:30:46: Mhm.

00:30:46: Dieses Hilfsnetzwerk, das du dir aufgebaut hast, auch da, wir wissen, Trauma geschieht in Verbindung oder in Beziehungen, aber es heilt auch in Beziehungen.

00:30:56: Und dieses Netzwerk und dieses sichere Umfeld, in das du dann gewechselt bist mit deinem Umzug nach Braunschweig, du bist jetzt dieses Jahr noch mal umgezogen, noch mal an einen Nervensystem freundlicher.

00:31:10: Da sprechen wir vielleicht später noch mal drüber.

00:31:12: Wie wichtig war für dich auch die Verbundenheit mit anderen Menschen auf deinem Genesungsprozess?

00:31:22: Ich muss sagen, da bin ich sehr derbe enttäuscht worden.

00:31:25: Denn ich war auf dem Gymnasium.

00:31:28: Ich war ein sehr beliebtes Mädchen, sportlich, schlank, also beliebt.

00:31:33: Und in dem Moment, wo ich in die Klinik gekommen bin und mehrere Monate weg vom Fenster war, haben sich meine ... sogenannten Freunde von mir verabschiedet.

00:31:44: Als ich wiederkam, nach so langer Zeit, völlig verändert, also optisch und psychisch, seelisch, da war auf einmal nichts mehr mit Freundschaft.

00:31:53: Ich wurde ausgeschlossen, ich wurde gemobbt, mir ging es richtig dreckig.

00:31:58: Und von der ehrgeizigen Einser-Schülerin war ich auf einmal ne Vierer-Fünfer-Schülerin und hab das dann gerade so mit Achenkracht die nächste Klasse geschafft.

00:32:09: Und es gab erst wesentlich später in der elften Klasse dann ein Mädchen, das ich kennengelernt habe.

00:32:17: Das ist meine Freundin Eva.

00:32:20: Und mit Eva, ich kann es nicht anders ausdrücken, bin ich Seelenverwandt.

00:32:25: Wir haben eine so tiefe Verbindung, die wir schon damals gespürt haben.

00:32:29: Und Eva ist immer für mich da.

00:32:32: Sie war es von Anfang an, auch in dieser Zeit, nach der du gerade fragst, aber auch bis heute.

00:32:38: Und ich glaube, es ist gar nicht wichtig, die Vielzahl der Freunde zu haben, sondern wenn der eine richtige Mensch dabei ist, dann ist das schon ganz sagt viel wert.

00:32:51: Es gibt auch aus der Kindheit und Jugend noch eine gute Freundin, die auch für mich da ist.

00:32:57: Das ist Franzi.

00:33:00: Und Franzi kenne ich schon seit der Krabbelgruppe.

00:33:06: Da ist es auch so, dass sie die ganze Krankheitsperiode mitbekommen hat im Vergleich zu Eva.

00:33:14: Und Franzi war wirklich die einzige, die da geblieben ist, die nicht gesagt hat, wäre es psychisch krank.

00:33:21: Da möchte ich nichts mehr mitzutun haben, sondern wirklich gesagt hat, hey, ich stehe zu dir, du bist wichtig und du bist meine Freundin.

00:33:30: Von daher musste ich wirklich diese schwere Erfahrung machen, Abschied zu nehmen von Menschen, die mir nicht gut tun und so frag ich bis heute tatsächlich.

00:33:39: Also jemandem, dem ich heute erzähle, was ich habe oder der durch Instagram-Post oder WhatsApp-Status oder so mitbekommt, was ich habe und damit nicht umgehen kann.

00:33:54: Die Person ist dann vielleicht für mich auch nicht weiter ... wichtig in meinem Leben.

00:34:00: Also sie raubt mir ja eher Kraft und Energie und ich umgebe mich gerne mit Menschen, die mit mir die positive Lebensentstellung teilen und nicht eben krafträuber sind.

00:34:12: Ich beobachte gerade an mir, dass ich dann immer noch recherchieren oder herausfinden möchte, warum Menschen nicht damit umgehen können.

00:34:20: Also gibt es bestimmt unendlich viele Gründe, warum sie nicht damit umgehen können, aber am Ende ist es ja auch vollkommen egal.

00:34:27: Was wichtig ist für dich oder für Menschen, die uns jetzt zuhören mit psychischen Themen, wichtig ist natürlich, dass wir lernen, auf uns zu hören und uns dann halt gegebenenfalls von diesen Menschen abwenden und uns denen zuwenden, die ja an unserer Seite sind in solchen Zeiten.

00:34:47: Ganz genau.

00:34:48: Also es sind dann wenige, aber wichtige.

00:34:51: Und Familie, mein Vater.

00:34:54: Also, Freunde, Familie, es ist wirklich das, was ausmacht und was auch Kraft zum Durchhalten gibt, weil es braucht einfach unglaublich viel Mut, offen und ehrlich damit umzugehen.

00:35:08: Du schreibst in deinem Buch, dass deine Hündin Shirley dir Struktur gebracht hat und Routine.

00:35:14: Welche Rolle spielten Struktur und Routine auf deiner Reise?

00:35:19: Eine ganz, ganz große, denn ich habe gemerkt, ohne Struktur Tagesstruktur vor allen Dingen geht gar nichts.

00:35:28: Ich bin ein perfektionistischer Mensch gewesen, als ich groß wurde oder in der Zeit, in der ich groß wurde und habe dann gelernt, durch Therapie und Struktur diese Perfektion abzulegen.

00:35:43: Und dadurch, dass ich dann eine neue Möglichkeit hatte, Struktur in meinem Alltag aufzubauen, durch unseren Hund beispielsweise, ist es Oder hat es dazu geführt, dass ich einfach Möglichkeiten entdeckt habe, mich anderweitig zu konzentrieren und auch zu fokussieren?

00:36:05: Es war immer so, dass ich ewig lang geschlafen habe, weil die Medikamente mich so recidiert haben und dass ich vor elf gar kein Termin wahrnehmen konnte.

00:36:14: Und auf einmal war unsere süße Hündin da und die musste natürlich raus.

00:36:17: Und mein Mann hat ganz bewusst gesagt, also wenn wir uns eine Hündin zulegen, Dann ist es dein Hund und du kümmerst dich.

00:36:25: Und auf einmal muss dich dreimal am Tag mit ihr raus.

00:36:28: Das heißt, morgen zu zwischen sieben und acht die erste Runde.

00:36:31: Und das war für mich anfangs eine riesen, riesengroße Überwindung.

00:36:35: Aber es hat total viel gebracht, weil ich dadurch ja ganz regelmäßig, sage ich mal, um halb sieben aufgestanden bin.

00:36:42: Da bin ich mit ihr raus.

00:36:43: Dann habe ich eine Vormittagsaktivität im Anschluss gemacht.

00:36:47: Keine Ahnung, das kann was Schönes gewesen sein, das kann aber auch ein Arztbesuch oder der Haushalt gewesen sein.

00:36:54: Dann gab es eine Mittagsrunde und eine geregelte Mahlzeit, also Mittagessen.

00:37:00: Das war ja bis dato auch so ein Fall.

00:37:02: Also man ist ja sehr unregelmäßig, wenn man krank ist und das führt dann wieder dazu, dass man sich noch schlechter fühlt.

00:37:09: Und nach dieser Mittagsrunde und diesem Mittagessen habe ich mich dann hingelegt, sodass der Tag auch eine Pause hatte.

00:37:16: Das war ganz wichtig für mich, Pausen einzubauen, weil damals funktionierte ich nur noch und war also in so einem Art Hamsterrad gefangen und konnte mit Pausen gar nicht viel anfangen.

00:37:29: regeneriert, wie ich dann war.

00:37:31: Hab ich meistens nachmittags noch irgendwas Schönes gemacht, bin dann wieder mit dem Hund raus.

00:37:36: Und so hat mein Tag auf einmal Struktur gehabt durch diesen Hund.

00:37:40: Und das hätte ich vorher gar nicht für möglich gehalten.

00:37:43: Und auch heute ist sie noch so an meiner Seite.

00:37:46: Also sie ist ja jetzt eine alte Dame mit über neunzig, sozusagen.

00:37:51: Aber sie macht mir einfach unglaublich viel Freude.

00:37:54: Sie war auch beim ganzen Schreibprozess immer anwesend und So ein Hund gibt halt auch irgendwie Selbstvertrauen und sie spürt die Schwingung.

00:38:06: Also, mein Mann hat mal gesagt, wenn der Hund genervt und gereizt ist, also das merkt man, weil sie vermehrt bellt oder so, immer von Raum zu Raum, einem hinterher rennt, dann merkt er daran, dass es mir nicht gut geht, dass ich unausgeglichen bin und guckt doch einmal mehr hin, ob ich vielleicht doch gerade irgendwas benötige, was ich selber nicht sehen kann.

00:38:27: Und ja, dafür ist mein Hund ein Indikator.

00:38:31: Ganz spannend.

00:38:32: Klar, die spiegeln uns natürlich, ne?

00:38:34: Ja.

00:38:35: zeigen sehr gut, wo wir stehen und wie es uns gerade innen geht.

00:38:39: Du gibst ja in deinem Buch unheimlich viele schöne Impulse und auch Inspirationen, die wirklich für jeden Menschen, finde ich, empfehlenswert sind, wie ich es auch in der Anmoderation gesagt habe, die sich sehr viel drehen um die Pflege unseres Nervensystems.

00:38:58: Was sind denn so die Sachen, wo du sagst, das ist absolut nicht verhandelbar?

00:39:03: Und das ist das Umfeld, das ich brauche, um mich sicher zu fühlen.

00:39:07: Also, auf welche Dinge hast du etabliert in deinem Leben?

00:39:10: Was sind deine Ressourcen?

00:39:12: Was gibt dir richtig Kraft, Sicherheit und Halt?

00:39:16: Ja, ganz viele Dinge eigentlich.

00:39:19: Über die Jahre hat sich einiges an Tools, nenn ich's jetzt mal, Werkzeuge.

00:39:25: angesammelt.

00:39:27: Ich habe verschiedenes ausprobiert, aber was geblieben ist, ist die Meditation.

00:39:32: Ich meditiere morgens, wenn ich aufstehe, still für mich, mache mir eine Kerze an, manchmal habe ich die Augen offen, manchmal ist auch einfach nur das schöne Licht, das dann entsteht, auch wenn die Augen geschlossen sind und besinne mich erst mal, was ist, was kommt, was ist vielleicht geplant und erde mich erst mal.

00:39:52: Also Meditation ist für mich ein wirklich wichtiges Werkzeug.

00:39:56: Und ich fahre zum Beispiel auch sehr regelmäßig an einen Ort der Stille.

00:40:00: Ist auch an der Nordsee oben.

00:40:03: Und da gibt's die Möglichkeit, mehrmals am Tag in Gemeinschaftsstil zu meditieren.

00:40:09: Und das ist noch mal ein Extra.

00:40:11: Ich sag jetzt mal Kick.

00:40:14: Tut mir unglaublich gut.

00:40:16: Und da fahre ich drei, vier Mal im Jahr ungefähr hin.

00:40:19: Also um diesen ... Reset für mich auch jedes Mal wieder neu zu erzeugen.

00:40:25: Was mir auch gut tut, wer meditiert, ist naheliegend, dass man auch gerne Yoga macht, also meistens zumindest.

00:40:31: Für mich trifft das voll zu.

00:40:34: Ich mache gerne harter Yoga, gerne auch für mich, aber auch manchmal im Kurs.

00:40:39: Das kommt immer ganz auf die Gegebenheiten hier in der Familie an.

00:40:43: Und ja, die Natur.

00:40:45: Die Natur gibt mir unglaublich viel.

00:40:47: Und wie du sagst, ich bin dies ja auch umgezogen.

00:40:50: Nach fünfzehn Jahren Braunschweig bin ich ins schöne Ostfriesland gegangen.

00:40:54: Und dort hat man natürlich wunderbar die Natur.

00:40:58: Wir wohnen direkt am Kanal, das ist ganz klasse.

00:41:01: Mit Spezien gehen, Walken gehen.

00:41:04: Auch die sportliche Bewegung tut mir sehr gut, ist ganz wichtig für mich.

00:41:08: Aber auch, dass man sich mal kurz ins Auto setzen kann und nach einer halben Stunde ist man am Meer und kann die Gezeiten beobachten.

00:41:15: Das gibt mir auch ganz, ganz arg viel.

00:41:18: Jetzt bin ich sozusagen von Heidelberg bis nach Ostfriesland hoch und merke aber, dass meine Wahlheimat ist und mir einfach sehr gut tut.

00:41:31: Und jetzt bin ich natürlich noch weiter von meiner Ursprungsfamilie entfernt, aber da das Verhältnis heute ein sehr gutes ist, ist es kein Thema

00:41:40: mehr.

00:41:41: Das wäre meine Frage noch gewesen.

00:41:43: Hast du zu beiden Eltern wieder Kontakt?

00:41:45: Tatsächlich ist meine Mutter leider schon verstorben.

00:41:48: War krankheitsbedingt ein ganz schwerer Abschied vor genau zwei Jahren jetzt.

00:41:54: Aber zu meinem Papa ist das Verhältnis sogar besser denn je, würde ich so sagen.

00:41:58: Denn sozusagen das, was er als Kind immer gepredigt hat.

00:42:03: steht dazu, sei offen, sei mutig.

00:42:05: Das mache ich ja heute.

00:42:06: Und ich glaube, er ist auch unglaublich stolz auf mich, was ich mit dieser Erkrankung geschafft habe.

00:42:12: Und das vermittelt er mir auch.

00:42:14: Und das ist einfach ein wunderschönes Gefühl, diese Rückendeckung zu haben.

00:42:18: Ja, und vielleicht dazu noch zu sagen, ich konnte mit meiner Mama aber noch abschließen.

00:42:25: Und das war für mich ganz wichtig.

00:42:26: Also, ich bin heute okay mit ihr.

00:42:30: Und das ist ein gutes Gefühl, weil ich eine ganze Zeit lang dachte, na ja, doch, ich muss es so sagen, dass sie Schuld an meiner Erkrankung ist.

00:42:43: Und wenn man mit Schuld lebt, das ist ein ganz schweres Gefühl.

00:42:47: Und ich konnte ihr vergeben und ich sehe sie heute nicht mehr als schuldig an.

00:42:52: Und das hat mir Seelenfrieden gegeben.

00:42:56: Ich glaube, dass dieser Prozess auch ... in die Gänge kommt, je mehr Eigenverantwortung, je mehr wir in die Verantwortung kommen, egal was uns als Kindern passiert ist, nichts davon ist theoretisch unser Schuld, aber wir müssen trotzdem oder sind eingeladen als Erwachsene für all das, was da ist, die Verantwortung zu übernehmen, um eben trotzdem auch mit so einer Diagnose, wie du sie hast, ein schönes Leben zu leben, ein Recht auf ein schönes Leben, Eine Botschaft, die mir an deinem Buch auch sehr gut gefallen hat und die möchte ich auch so gerne teilen mit den Menschen.

00:43:31: Egal, was man euch diagnostiziert, momentan wird viel gesprochen über ADHS und auch über Autismus und so.

00:43:39: Du bist nicht deine Diagnose.

00:43:42: Das kann ich voll und ganz unterschreiben.

00:43:44: Ich bin definitiv nicht meine Diagnose.

00:43:47: Ich bin ich.

00:43:48: Ich bin wertvoll.

00:43:49: Und ich möchte gesehen werden.

00:43:51: Und ich habe genau diese Kraft, das auch auszustrahlen.

00:43:54: Und ich möchte auch vor allen Dingen anderen Menschen Mut machen.

00:43:58: Deswegen habe ich mein Buch geschrieben.

00:44:00: Ich möchte entstigmatisieren.

00:44:02: Ich möchte tabusbrechen.

00:44:03: Ich möchte auch für Angehörige Sichtbarkeit schaffen.

00:44:07: Zu sagen, bitte haltet durch.

00:44:09: Es ist eine Erkrankung, die unglaublich viel Fingerspitzengefühl und Beobachtungsgabe voraussetzt.

00:44:15: Aber haltet durch, es lohnt sich.

00:44:17: Denn es ist nur die Erkrankung.

00:44:18: Es ist nicht der Mensch, der so verändert ist.

00:44:21: Also es macht die Erkrankung.

00:44:24: Und ich möchte einfach auch Hoffnung schenken und einfache Wege aufzeigen.

00:44:28: Und das ist mir ganz arg wichtig.

00:44:31: Mhm.

00:44:31: Durch deine, durch den Kontakt, also natürlich durch die Sichtbarkeit, durch das Buch, dass du auf die Bühne gegangen bist oder jetzt zu Gast in diesem Podcast bist, dass du auch andere Menschen begleitest, die vielleicht eine gleiche Diagnose haben.

00:44:44: Was ... Lernst du noch mal über dich im Kontakt mit den anderen Menschen?

00:44:49: Wie ist es für dich mit anderen Menschen, die vielleicht ein ähnliches Leid durchlebt haben und jetzt aber vielleicht ja einen ähnlichen Weg gehen, wie du da auch einfach Unterstützung brauchen?

00:44:59: Was lernst, was lernt ihr voneinander?

00:45:03: Tatsächlich würde ich sagen, ich wachste daran.

00:45:07: Die ganzen Rückmeldungen, die schönen Gespräche, die entstehen.

00:45:12: Häufig sind es Nachlesungen, Einzelgespräche, die entstehen, weil Ich biete zwar immer einen Plenum an, aber manche Menschen, gerade erkrankte Menschen, trauen sich dann nicht vor größeren Gruppen zu sprechen.

00:45:23: Und in diesen Einzelgesprächen merke ich ganz häufig, dass ich was bewegt habe, dass ich Impuls gesetzt habe, dass ich einen kleinen Funken Hoffnung gesehen habe.

00:45:34: Und ich bekomme auch öfter mal E-Mails, dass durch meinen Impuls, durch mein Buch, durch meinen Vortrag, dann auch neue Wege entstanden sind oder Hilfen angenommen wurden.

00:45:45: und auch von Angehörigen, die gesagt haben, ich hab gedacht, ich verlasse meinen Mann, ich schaff das nicht mehr, dass die dann doch weitergegangen sind, den gemeinsamen Weg.

00:45:56: Und ja, ich glaube, dadurch, dass ich offen mit umgehe, gehen auch viele andere offen mit um und sagen, hey, wenn sie das geschafft hat, dann schaff ich das doch auch.

00:46:07: Warum denn nicht?

00:46:09: Und deswegen, glaube ich, ist diese Transparenz auch so unglaublich wichtig.

00:46:15: Welcher Botschaft hast du an die Angehörigen?

00:46:18: Ich wünsche mir für die Angehörigen, dass sie, wie ich das eben auch schon sagte, bitte haltet durch.

00:46:26: Eure Lieben sind erkrankt und brauchen Hilfe.

00:46:32: Und meistens ist diese Hilfe nicht vom Angehörigen selbst zu bewerkstelligen.

00:46:37: weil es einfach zu nah ist, der Abstand ist zu nah.

00:46:40: Und deswegen würde ich raten, ein Hilfe-Netzwerk aufzubauen.

00:46:45: Ich hatte vorhin, als wir schon mal über Hilfe-Netzwerk gesprochen haben, auch vergessen zu sagen, dass ich natürlich mir auch einen Psychiater gesucht habe, der die Medikamente eingestellt hat.

00:46:53: Und ich würde fast sagen, das ist einer der wichtigsten Schritte, wenn wir jetzt nochmal an dem Thema sind oder an der Stelle sind, weil Medikamente machen fehlen.

00:47:03: Klar gibt es einige Menschen, die sagen, ich möchte keine Medikamente nehmen.

00:47:07: Aber gerade für die Angehörigen erleichtert es häufig, wenn der Betroffene Medikamente nimmt, da dann eine leichte Verbesserung erst mal stattfindet.

00:47:17: Und dann kann man, nämlich zum Beispiel, ansetzen mit Psychotherapie.

00:47:21: Aber wer so depressiv ist, der nicht aus dem Bett kommt, gar nichts mehr schafft, der schafft es natürlich auch nicht zur Therapie.

00:47:28: Und deswegen bin ich schon Befürworter von Medikamenten, einfach weil ich zwanzig Jahre lang Erfahrung habe.

00:47:36: positive wie negative, aber im Ganzen gesehen ist es doch wesentlich erleichternd für mich Medikamente zu nehmen.

00:47:46: Und wenn die Angehörigen sich dann diese Hilfe holen können von außerhalb, dann ist schon viel getan.

00:47:52: und

00:47:54: ja,

00:47:54: bitte haltet durch.

00:47:57: Das ist bei der Bipolarität so, wie du schon sagst.

00:47:59: Und deswegen ist es dann auch so wichtig, einen vertrauensvollen Psychiater an der Seite zu haben, weil man die Dosierung der unterschiedlichen Medikamente, je nach Phase, also ich nehme an, du bekommst wahrscheinlich Lithium.

00:48:12: Nee, tatsächlich

00:48:13: nicht.

00:48:13: Das vertrag ich nicht.

00:48:15: Interessant, okay.

00:48:16: Genau.

00:48:17: Also, ich hab einen Cocktail aus vier verschiedenen Medikamenten.

00:48:21: Und das hat zehn Jahre gedauert, bis wir den eingestellt hatten.

00:48:24: Weil ich eine der wenigen Bindilezium nicht vertragen, und das ist ja immer das Mittel der ersten Wahl.

00:48:30: Ich weiß nicht, ob du jetzt einen Medikamentennamen haben möchtest.

00:48:34: Was bringt dir wahrscheinlich gar nicht viel?

00:48:36: Mir ging es vor allem darum, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie ... Also, dass es relativ engmaschig ja, glaub ich, auch untersucht werden muss.

00:48:45: und dass man da auch individuell eingeladen ist und eben jemanden braucht, der wirklich so auf so ein Deep-Dive geht, damit man den Cocktail findet, der dir ein Leben ermöglicht, also der dich nicht so komplett aus dem Leben schießt, sodass du nur noch im Bett liegst und schläfst.

00:49:01: Das ist ja kein Leben.

00:49:03: Sondern dass du halt ganz gut am Leben teilhaben kannst und vor allem ein Gefühl von Lebendigkeit.

00:49:08: Ja,

00:49:08: ganz wichtig.

00:49:10: Also ich nenn es immer Feintuning.

00:49:13: Unglaublich fehlt Fingerspitzengefühl erfordert oder erforderlich, um Medikamente gut einzustellen, weil jeder Psychiater würde, glaube ich, bei einer Bipolarenstörung als erstes, wie du schon sagst, Lezium verschreiben und sagt dann, ja, das wird schon, das regelt sich schon, pendelt sich schon ein.

00:49:32: Aber wenn man weiß, dass erst ein Zusammenspiel vielleicht aus einem Neuroleptikum, einem Stimmungstabilisierer und einem Antidepressivum gegebenenfalls vielleicht noch ein Notfallpräparat.

00:49:46: Erst diese Kombination, das ausmacht, dass es dir gut geht und dass du dich stabil fühlst, dass du dich auch als Mensch fühlst und nicht eben wie fremdgesteuert.

00:49:55: Dass du auch so Dinge machen kannst wie Autofahren oder dich selbstständig bewegen oder mit einem Kind alleine zu Hause sein.

00:50:03: Das kannst du ja nicht, wenn du von Medikamenten fremdgesteuert bist.

00:50:08: Und gerade ja in Kombination mit all dem, was du eben auch verändert hast in deinem Leben, um Struktur zu haben, um deinen Verstand zu beruhigen, um dein Nervensystem zu pflegen, die ganze Achtsamkeit, also auch eine gute Verbundenheit zu dir selber, ein gutes Verständnis zu dir selbst, weil nur die Medikamente allein würden ja wahrscheinlich auch nicht den Kohl fett machen, sondern am Ende ist es ja ein Zusammenspiel aus ganz vielen Parametern.

00:50:34: Genau.

00:50:35: Also es ist so, wie du auch schon sagtest, multifaktoriell.

00:50:39: Sowohl bei der Zusammensetzung, wo die Erkrankung herkommt, aber auch bei dem, wie man damit umgeht.

00:50:45: Also nur das Zusammenspiel aus, regelmäßig beobachten zum Beispiel, immer wieder auf sein Gefühl hören, auch Dinge wahrhaben wollen.

00:50:53: Also es ist ja zum Beispiel auch noch mal so, ich merke der Bahn sich was an, aber das passt mir grad nicht in Kram.

00:50:59: Ja, Mist, was mach ich jetzt?

00:51:00: Ignorier ich's und teile es auch niemanden mit.

00:51:04: gehe ich da stillschweigend mit um oder sage ich oh man mist es ist jetzt wieder soweit.

00:51:11: okay was mache ich als erstes was tut mir gut was hilft mir Und was stabilisiert mich gegebenfalls wieder?

00:51:17: Und da ist es nicht nur so, dass man dann an den Medikamenten schraubt, sondern sagt, okay, jetzt gehe ich erst recht raus.

00:51:24: Jetzt mache ich meine Walking-Runde, auch wenn ich mich dazu überhaupt nicht aufraffen kann.

00:51:29: Also wirklich gegen diesen Schweinehund anzugehen, das ist ganz essentiell und sich auch auszutauschen.

00:51:38: Also mit Freunden, mit Fachmenschen, also Fachpersonal auch.

00:51:43: Ja, das ist schon wirklich essentiell einfach.

00:51:47: Ich mag da die Formulierung, sich selbst erheben über die Diagnose.

00:51:51: Also ich bin größer als diese Diagnose, ich bin mehr als das und ich erhebe mich darüber und nehme auch mit der Diagnose mein Leben in die Hand, um am Leben teilzuhaben.

00:52:01: Ganz genau.

00:52:03: Dein Psychotherapeut hat ... Auch in deinem Buch, ein paar Zahlen geschrieben, ist zu Wort gekommen.

00:52:09: Seid ihr noch in Kontakt und welche Rolle spielt und hat er in deinem Leben gespielt?

00:52:14: Also tatsächlich, ja, wir sind noch in Kontakt.

00:52:16: Allerdings ist er jetzt in Rente gegangen.

00:52:19: Und der Kontakt ist dadurch etwas weniger geworden.

00:52:22: Aber wir haben ja über zehn Jahre ganz intensiv zusammengearbeitet.

00:52:26: Er hat mit mir ... Also alles durchlebt, von tiefst depressiv und ich bin zu gar nichts zu gebrauchen und ich schaff es gerade so zu ihm zu kommen, bis ich schaff es gar nicht und wir machen Video-Gesprächstunde zu, ich bin völlig abgedreht, verstehe überhaupt nicht, was ich hier soll und warum er mich reglementieren und in meine Grenzen ja weisen möchte.

00:52:50: Er hat da wirklich alles miterlebt und Ich denke, so eine Beziehung ist ganz erg wichtig.

00:52:56: Vor allen Dingen, gerade wenn man auf der Suche nach einem Therapeuten ist, ist es wichtig, einen guten Therapeuten zu haben.

00:53:02: Das ist natürlich unglaublich schwer und auch leichter hergesagt.

00:53:06: Aber ich denke, manchmal ein schlechter Therapeut kann mehr kaputt machen als keiner.

00:53:13: Klingt jetzt blöd, wer auf der Suche nach einem Therapeuten ist.

00:53:16: Aber ich habe gemerkt, nur wenn das Zusammenspiel wirklich gut passt, auf einer Ebene auch kommuniziert wird und nicht von oben herab, so von wegen, ich bin studiert und du bist die Kranke, nee, sondern auf Augenhöhe miteinander gesprochen und sich ausgetauscht wird.

00:53:32: Das ist ganz, ganz arg wichtig.

00:53:35: Richtig schön.

00:53:36: Richtig schön.

00:53:38: Ja, ich glaube, dass da auch gerade auch ein paar Digmen Wechsel stattfindet, dass wir ein bisschen rauskommen aus diesem ... Ja, wie du sagst, nicht diesem Gefälle.

00:53:51: Also ich hab studiert und ich weiß, wie der Hase läuft und sie sind krank und sie liegen hier.

00:53:58: Weil diese Beziehungsebene natürlich in Therapie und in Heilungsprozessen einfach essentiell ist.

00:54:05: Wenn die Beziehungsebene nicht da ist, dann ist es wirklich ... Weil wenn wir uns nicht sicher fühlen mit dem Gegenüber, wie sollen wir Fortschritte machen?

00:54:12: Ganz genau.

00:54:13: Und zumindest

00:54:14: auch meine Erfahrung.

00:54:15: Ja, ich finde vor allen Dingen auch, ich bin ja Genesungsbegleiterin und da ist Arbeiten auf Augenhöhe ganz, ganz wichtig.

00:54:22: Ich weiß jetzt nicht, ob unsere Hörer und Hörerinnen... Wissen, was Genesungsbegleitung ist?

00:54:28: Ich weiß noch mal kurz aus.

00:54:32: Genesungsbegleitung ist eine einjährige Ausbildung, die man drauf setzt auf sein Krankheitswissen, sage ich jetzt mal.

00:54:39: Also man ist ja schon Expertin aus Erfahrung, aus der Erfahrung, die man mit seiner eigenen Erkrankung gemacht hat und kriegt noch mal Fachwissen dazu.

00:54:47: Und diese Kombination hilft natürlich anderen erkrankten Menschen und eben auch ihren Angehörigen.

00:54:54: dass sie nochmal von einer anderen Warte aus einem anderen Blickwinkel Erfahrungen geteilt bekommen und auch vielleicht die nötigen Impulse gesetzt bekommen, die vielleicht einen Sozialarbeiter, einen Psychotherapeut oder einen Psychiater eben nicht geben können.

00:55:08: Und bis vor Kurzem, als ich eben noch in Braunschweig wohnte, habe ich als Genesungsbegleiterin in einer teilstationären Einrichtung gearbeitet.

00:55:16: Dort durfte ich Gruppen leiten und in diesen Gruppen habe ich, also es sind Kleingruppen gewesen, in diesen Kleingruppen habe ich verschiedene Vortragsarten gehabt, zum Beispiel eine Recovery-Gruppe, aber ich habe mit den Teilnehmenden auch Kunst gemacht, also über dieses Medium bin ich an Menschen rangekommen und auch Einzelgespräche und in diesen Einzelgesprächen kam auch immer wieder durch.

00:55:40: Mensch, endlich versteht mich mal jemand.

00:55:42: Und das ist schön wertschätzend mir gegenüber, aber auch für den Betroffenen.

00:55:49: einfach nochmal schön zu wissen, hey, ich bin hier von einem multiprofessionellen Team betreut.

00:55:54: Also Menschen, die studiert haben, Menschen, die das beruflich machen, aber auch jemand, der das aus eigener Erfahrung, aus der eigenen Haut fühlend.

00:56:05: erlebt hat.

00:56:06: Das ist nochmal ein Unterschied.

00:56:10: Ich wusste tatsächlich nicht, dass man das lernen kann.

00:56:13: nochmal.

00:56:14: Genesungsbegleitung.

00:56:15: Kann man googlen, man das?

00:56:16: Und dann findet man das.

00:56:18: Genau, das Ganze heißt XIN, also EX minus IN.

00:56:22: Experience involvement und das heißt Erfahrung in Begriffen.

00:56:26: Und das gibt es in Deutschland in verschiedenen Standorten, auch, glaube ich, Österreich und Schweiz.

00:56:32: Und da kann man über die Ex-Inn-Seite sich eben Informationen auch einholen.

00:56:38: und theoretisch jeder, der schon mal eine Krise durchlaufen hat, der schon mal am Boden war und es geschafft hat, wieder aufzustehen.

00:56:45: Das ist der wichtige Prozess.

00:56:47: Der kann diese Ausbildung machen und dann aus Experte, aus Erfahrung sein.

00:56:52: Mh.

00:56:53: Packen wir in die Schoenutz.

00:56:56: Gerne.

00:56:56: Liebe Vera, wer Kontakt zu dir aufnehmen möchte.

00:56:59: Wie findet sich

00:57:00: der Mensch?

00:57:02: Genau, also ich habe eine Homepage und die heißt www.dieunsichtbarelast.de sowie mein Buch.

00:57:09: Und da gibt es auf jeden Fall die Möglichkeit mit mir in Kontakt zu treten.

00:57:13: Ich bin aber auch auf LinkedIn und Instagram vertreten.

00:57:16: Also da sollte es genug Möglichkeiten geben.

00:57:19: Und ja, ich bin auch immer gerne für Vorträge oder auch im Lesungen zu haben.

00:57:26: Also, wenn jemand Interesse hat an dem Thema und sagt, hey, psychische Erkrankung muss nach vorne, muss gesehen werden, dann hat er auf jeden Fall die Möglichkeit, sich mit mir in Verbindung zu setzen.

00:57:36: Und ich freue mich sehr darüber.

00:57:39: Wie geht es dir heute und was wünscht du dir für dich, für die Zukunft?

00:57:46: Das sind gute Fragen.

00:57:48: Also, wie geht es mir heute?

00:57:51: Ich würde sagen, besser denn je.

00:57:53: Aber ich muss auch ehrlich sein, auch ich merke, jetzt kommt der Herbst, ich merke kleine Einschränkungen.

00:57:58: Und da muss ich schon gut auf mich achten.

00:58:00: Also, der Schlaf ist wieder ausführlicher oder ausgedehnte, als er eigentlich sein sollte.

00:58:06: Und ich merke, dass ich so ein bisschen nicht ganz in mir ruhe und nicht ganz bei mir bin.

00:58:12: Und gerade da muss ich motiviert gegenangehen.

00:58:15: Und ich habe auch jetzt noch Therapie.

00:58:18: Die hilft mir sehr dabei und genau.

00:58:22: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es einfach so weitergeht, dass ich Menschen Freude machen kann, mit meiner Lebenseinstellung auch abholen kann und dass ich Menschen berühren kann.

00:58:39: Mich hast du sehr berührt.

00:58:41: Ich danke dir von ganzem Herzen für das Gespräch

00:58:43: und...

00:58:44: Ja, wenn ihr Vera kontaktieren möchtet, ihr findet natürlich alle Links wie immer in den Show-Notes und ich wünsche dir für die Zukunft nur das allerbeste.

00:58:52: Achte gut auf dich.

00:58:54: Vielen Dank, liebe Katy.

00:58:55: Und ich freue mich, dass wir verbunden sind.

00:58:58: Vielen Dank.